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HERR, wie lange noch?

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden,
wer lügt, liegt obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
Hilf uns, die friedlos sind.

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Angriff auf die Menschenwürde – ‘Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben’?

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Das Bundesverfassungsgericht hat das im § 217 Strafgesetzbuch (StGB) geregelte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung am Aschermittwoch (26.02.2020) für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. Das Gericht nennt in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich ein „Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben“, das auch das Recht auf Selbsttötung einschließe sowie gleichermaßen das Recht, sich hierfür der Hilfe Dritter zu bedienen. Für die Christdemokraten für das Leben e. V. (CDL) nehmen deren Bundesvorsitzende, Mechthild Löhr, und die Pressesprecherin, Susanne Wenzel, hierzu Stellung:
„Mit seinem verkündeten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur ein „Recht auf Selbsttötung“, sondern auch ein Recht auf „Suizidhilfe“ verankert. Der Gesetzgeber kann die Suizidbeihilfe nach Ansicht der Richter zwar regulieren, ist aber verpflichtet, „hinreichenden Raum zur Entfaltung und Umsetzung“ für die Entscheidung zur Selbsttötung zu gewährleisten. Damit wird eindeutig ein Anspruch auf Suizidbeihilfe vom Gericht hergestellt. Dies kann als radikale Abkehr vom bisherigen Rechtsverständnis des Suizids gewertet werden. Seit Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 war in Deutschland Konsens, dass es kein lebensunwertes Leben gibt. „Die Humanität gebietet die Achtung vor dem Bild des Menschen auch in seiner beschädigten Erscheinung.“ Folgerichtig ist in Deutschland Tötung auf Verlangen verboten (StGB § 216). Mit der Aufhebung des § 217 StGB bzgl. der Zulassung der Sterbehilfevereine und professioneller Sterbehelfer hat das Gericht aber einer aktiven und beliebig begründbaren Suizidbeihilfe ganz weit die Tore geöffnet. Für die entsprechenden Vereine dürfte es daher ein Festtag sein, denn sie sind vollends als notwendiger Anbieter zur Umsetzung von selbstbestimmten Suizidwünschen rechtlich und sicherlich dann bald auch gesellschaftlich akzeptiert.
Galt bisher die Rechtsauffassung, dass der Mensch weder über die eigene Menschenwürde noch über Menschenleben verfügen kann und auch der Suizidwunsch als Gefährdung der Würde anzusehen ist, hat nun das Bundesverfassungsgericht dieses Menschenbild gewissermaßen auf dem Kopf gestellt. Die Entscheidung zum Suizid bedürfe, so die Richter, keiner weiteren Begründung, Prüfung oder Rechtfertigung, sondern sei ein Akt autonomer Selbstbestimmung und daher von Staat und Gesellschaft jederzeit zu respektieren. Damit geht das Bundesverfassungsgericht weiter als die bisher bekannte internationale Rechtsprechung. Denn in fast allen Ländern, in denen Sterbehilfe zugelassen ist, bleibt diese an einem mehr oder weniger engen Kriterien- oder Krankheitskatalog gebunden und kann nur unter bestimmten Prüfungsvoraussetzungen straffrei erfolgen.
Mit der ausdrücklichen Betonung, dass das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ nicht auf „fremddefinierte Situationen, wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt“ ist, bereiten die Verfassungsrichter – beabsichtigt oder nicht – den Weg, künftig den assistierten Suizid nicht etwa nur als Handlungsoption im Falle schwerer Krankheiten oder nicht klinischer Gemütszustände zu verstehen. Voraussetzung hierfür ist nach Ansicht der Richter immer die „selbstbestimmte und autonome Entscheidung“, also die freie Willensbildung. Doch es stellt sich die Frage, ob es überhaupt Selbsttötung aufgrund eines „frei gebildeten“ Willens gibt. Suizidwünsche entstehen aber de facto häufig im Zusammenhang mit Depressionen oder depressiven Zuständen, die vielfältige gesundheitliche oder soziale Ursachen haben können. In persönlichen Beziehungskrisen oder schwierigen sozialen Lebenssituationen können ebenso wie bei körperlichen Erkrankungen situativ oder längerfristig depressive Zustände auftreten, die den Tötungswunsch als einzigen Ausweg sehen, wie etwa die Angst vor Schmerzen oder davor, Dritten zur Last zu fallen sowie auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Über 100.000 Suizidversuche in Deutschland pro Jahr zeigen, wie häufig Menschen in diesen vulnerablen Situationen alles andere als wirklich selbstbestimmt sind. Grundsätzlich ist aus Sicht vieler Ärzte und Experten unter entsprechenden Belastungszuständen überhaupt nicht einzuschätzen, ob jemand selbstbestimmt und frei seine Suizidentscheidung getroffen hat.
Ab sofort müssen sich alle, die in der Suizidprävention tätig sind, fragen, wieso sie ein Grundrecht auf autonome Selbsttötung nicht einfach jederzeit akzeptieren, sondern versuchen, Suizid zu verhindern. Die europäische Depressionsforschung hat aber gezeigt, dass der ganz überwiegende Teil der Suizidenten vorher psychisch erkrankt, depressiv oder in Behandlung gewesen ist. Krankenkassen müssen sich zukünftig fragen lassen, ob Suizidgefährdung oder Wünsche überhaupt noch zu Recht Krankheitsindikatoren bei vielen Krankgeschriebenen sind. Viele sozial isolierte, dauerhaft erkrankte oder lebensmüde alte Menschen werden sich fragen lassen müssen, warum sie das Angebot professioneller Suizidhilfevereine nicht nutzen. Letztlich belegen Untersuchungen in der empirischen Sozialforschung auch, dass Gesellschaften, in denen eine breite Akzeptanz der Selbsttötung vorherrscht, auch weitaus höhere Selbstmordraten zu verzeichnen haben. All dies erkennt das Gericht zwar an, setzt aber die unbedingte Autonomie des Einzelnen über das Leben. Die Entscheidung vom 26.02.20 kann als krasse Umkehrung der Intention des Gesetzgebers beim § 217 StGB betrachtet werden, mit dem der Gesetzgeber 2015 ja verhindern wollte, dass sich professionelle Suizidhilfeorganisationen bundesweit wie in der Schweiz und den Beneluxstaaten als alltägliches Angebot etablieren. Ausdrücklich spricht das Bundesverfassungsgericht in seinem überraschenden Urteil sogar von der autonomiefeindlichen Wirkung des bisherigen § 217 und mahnt an, dass die Möglichkeiten zur assistierten Suizid tatsächlich verfügbar sein müssen. Es bedauert explizit, dass die Ärzte noch nicht mehrheitlich bereit sind und betont, dass diese einen tatsächlichen Bedarf nach geschäftsmäßigen Angeboten damit solange noch unterstützten. Die Kritik an den Ärzten ist damit nicht zu überhören. Dabei hatte noch im Okt. 2019 der Weltärztebund (World Medical Association, WMA) erneut seinen ablehnenden Standpunkt gegenüber Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid bekräftigt und sein starkes Bekenntnis zu den Grundsätzen ärztlicher Ethik und fordert höchsten Respekt vor dem menschlichen Leben. Auch solle kein Arzt zur Teilnahme an Euthanasie und assistiertem Suizid gezwungen oder dazu verpflichtet werden, diesbezüglich Überweisungsentscheidungen zu treffen. Dies sieht man offensichtlich leider heute in Karlsruhe deutlich anders. Das Gericht zeigt dem Gesetzgeber am Ende die Möglichkeiten auf, die zur Regulierung der Suizidbeihilfe dienen können und fordert letztlich eine Anpassung der Berufsordnungen der Ärzte und auch Apotheker, damit „die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Einzelnen nicht nur geografischen Zufälligkeiten“ unterliegt. Faktisch soll damit im Berufsrecht die Verpflichtung der Ärzte zur Suizidbeihilfe verankert werden.
Ab heute dürfte sich ein lebhafter Wettbewerb bei den schon seit langem in den Startlöchern stehenden Sterbehilfevereinen entwickeln, die nun mit höchstrichterlicher Anerkennung den selbstbestimmten Bürgern und Bürgerinnen für wenige hunderte Euro oder Mitgliedschaften einen stillen, schnellen Tod zu jeder gewünschten Zeit anbieten können. Ausgerechnet Deutschland stellt nun mit diesem richterlichen Paukenschlag einen Freischein für Suizidhilfe aus und setzt sich damit an die Spitze einer internationalen – linksliberal geprägten – Bewegung, die schon lange das Recht zur Selbsttötung durch „Suizidhelfer“ über den Lebensschutz gestellt hat. Dieser Aschermittwoch 2020 dürfte als einer der schwärzesten Tage der deutschen Rechtsgeschichte seit 1949 gelten.

Dass die Würde des Menschen vom höchsten deutschen Gericht ausgerechnet darin verwirklicht gesehen wird, ein Leben mit Hilfe Dritter professionell beenden zu dürfen, ist mehr als schockierend. Es ist beklemmend für uns alle; denn es eröffnet für viele Menschen, deren Leben belastet und schwierig ist, eine nunmehr höchstrichterlich anerkannte und geförderte neue Exit-Strategie in den jederzeitigen Tod.

Fazit: Das, was jetzt als Recht von Einzelnen erstritten wurde, wird sich im weiteren Verlauf – das belegen die Entwicklungen in den Niederlanden und Belgien – als unverhandelbare „soziale Pflicht“ für die Gesamtheit der Schwachen, Kranken und Alten etablieren.
Das heutige Urteil ist wohl eine der dunkelsten Stunden deutscher Rechtsprechung.

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Suizidbeihilfe – steht ein weiterer ethischer Dammbruch bevor?

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Gibt es nach dem Tabubruch bei der embryonalen Stammzellenforschung und der Präimplantationsdiagnostik (PID) jetzt auch einen Dammbruch beim Thema ‚Sterbehilfe‘? Die Kirchen in Deutschland sind hierbei uneins und entfernen sich in bioethischen Fragen immer weiter voneinander. Wie die katholische „Tagespost“ am 10. November 12 berichtet, hat der evangelische Bischof und EKD-Chef Nikolaus Schneider mit seiner Äußerung zur seelsorgerischen Begleitung von Suizidwilligen für erhebliches Aufsehen und Irritationen gesorgt: „…es wird Situationen geben, in denen auch Christen die Entscheidung von Menschen für ein selbstbestimmtes Sterben gegen ihre eigene Überzeugung respektieren und ihnen eine mitfühlende und seelsorgliche Begleitung nicht verweigern.“ Auf irritierte Nachfragen ruderte Schneider nicht zurück und bekräftigte: „Wenn ein Mensch intensiv darum bittet, dann mache ich mir nach der reinen Lehre auch die Hände schmutzig…“

Christdemokraten für das Leben (CDL) fordern Strafbarkeit der Suizidbeihilfe. Zu der aktuellen Diskussion um die Ausweitung der Suizidbeihilfe (§ 217 StGB) und die politisch beabsichtigte Mitwirkung von Ärzten nimmt die CDL-Bundesvorsitzende, Mechthild Löhr heute in Münster Stellung und verweist auf das >>>CDL-Positionspapier: „Mitwirkung am Suizid und Autonomie am Lebensende“:

„Das Leben mit dem Tod lautet der Titel der diesjährigen ARD-Themen-Woche, die in diesen Tagen die Frage nach dem Umgang mit Sterbenden in den Mittelpunkt stellt.

Auch der Bundestag wird sich am 29. November in erster Lesung mit einem neuen § 217 StGB und der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung befassen. Bundesjustizministerin Leutheusser Schnarrenberger, die auch gleichzeitig Beiratsmitglied der Humanistischen Union ist, hat sich inzwischen mehrfach öffentlich zudem für den ärztlich assistierten Suizid ausgesprochen, der in Deutschland seit 1945 durch die ärztliche Berufsordnung untersagt war.

Noch im Mai 2011 hat sich die Bundesärztekammer wiederum in ihrer neuen Musterordnung im § 16 eindeutig gegen eine Zulassung des ärztlich assistierten Suizid in Deutschland positioniert. Diese Musterordnung ist jedoch für die Landesärztekammern leider nicht bindend.

Daher ist bemerkenswert, dass inzwischen schon die Ärztekammern von Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein den § 16 der beim Deutschen Ärztetag 2011 beschlossenen Muster-Berufsordnung nicht übernommen haben. Sollte der jetzt vorliegende Gesetzentwurf zum § 217 StGB, der bisher erstaunlicherweise noch ohne jede Alternative seitens der Parlamentarier ist, vom Bundestag durchgewunken werden, wäre zukünftig jede Suizidbeihilfe in Deutschland rechtlich problemlos – privat wie öffentlich – anzubieten und durchzuführen, solange sie ohne Entgelt und Bezahlung geschieht. Dies wäre ein weiterer ethischer Dammbruch durch die Gesetzgebung, der die Solidarität der Generationen untereinander und in der alternden Gesellschaft schwer belasten wird.

Die CDL hat sich in ihrem grundlegenden Positionspapier bereits frühzeitig an der Diskussion beteiligt und die Strafbarkeit jeder Form der Mitwirkung am Suizid in einem neuen § 217 StGB gefordert. Dies entspricht zum Beispiel der derzeitig in Österreich geltenden Rechtslage.

Die Stellungnahme enthält dazu die wesentlichen Argumente. Als Bestätigung ihrer Position erkennt die CDL u.a. die Stellungnahmen des nationalen Suizidpräventionsprogramms oder Deutschen Gesellschaft für Suizidforschung (DGS) an, die ebenso wie die Bundesärztekammer vor einer generellen Zulassung von Sterbehilfe warnen.

Wenn Menschen sich mit dem Gedanken tragen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, sind sie in der Regel in einer verzweifelten Lebenssituation, wünschen sich aber tatsächliche Hilfe, Beistand, Zuwendung und Schmerzenslinderung. Sobald stattdessen öffentlich und organisiert sogar professionelle Beihilfe für einen schnellen Tod angeboten wird, wie dies heute schon durch manche Sterbehilfevereine „gemeinnützig“ geschieht, setzt unsere Gesellschaft letztlich inhumane Signale.

Wenn bereits jetzt die Bundesjustizministerin den Ärzten vorwirft, Suizidhilfe zu verweigern, statt eine ärztlich unterstützte Selbsttötung zu ermöglichen, zeigt dies auf, wie radikal und gefährlich die Wende ist, die durch die Entscheidung des Bundestags vorbereitet werden soll. Die Erfahrungen in europäischen Nachbarländern belegen, dass sehr schnell aus dem allgemeinen Angebot der Suizidbeihilfe die individuelle und soziale Erwartung erwächst, sich und die anderen am Ende des Lebens zügig von der Last des Leidens und Sterbens zu befreien.“

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