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Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
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IGFM: DDR-Zuchthaus Cottbus endlich in ‚Häftlings’-Hand

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Frankfurt am Main. Als einen späten Sieg über die DDR-Diktatur feiert die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) die friedliche Übernahme des Zuchthaus Cottbus durch den Verein Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.. Über 200 von der IGFM zwischen 1972 bis zur Wiedervereinigung betreute Oppositionelle, Bürgerrechtler und Ausreisewillige waren in diesem Gefängnis aus politischen Gründen inhaftiert, darunter z.B. der jetzige brandenburgische Landtagsabgeordnete Dieter Dombrowski und der Schriftsteller Siegmar Faust. Besonders grausame Strafmaßnahmen im Zuchthaus Cottbus waren Dunkel- und Kältearrest und die Einsperrung in den von den Gefangenen so genannten „Tigerkäfigen“.

Das Zuchthaus Cottbus war in den siebziger Jahren die „klassische“ Anstalt für politische Gefangene der DDR. Sie machten ca. 80 Prozent an der Gesamtbelegung aus. Die Häftlinge mussten im Dreischicht-System für den VEB-Betrieb Pentacon Dresden, Fotoapparate zusammenbauen, die u.a. vom Versandhaus Quelle verkauft wurden, sowie für das VEB-Kunststoffwerk Spremberg arbeiten. Die meisten Transporte Richtung Bundesrepublik Deutschland mit den von der Bundesregierung freigekauften politischen DDR-Gefangenen gingen in dieser Zeit via Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) aus. Die Haftanstalt in der Bautzener Str. 138 umfasst fünf Hauptgebäude, die durch eine vier Meter hohe Mauer und eine Feuerschutzzone gesichert waren.

Das Zuchthaus Cottbus ist von ehemaligen politischen DDR-Gefangenen gekauft worden, der Umbau in eine Gedenkstätte wird aus zweckgebundenen Bundesmitteln gefördert. Die Geschäftsführerin des Vereins, Frau Sylvia Wähling, ist IGFM-Vorstandsmitglied; mehrere IGFM-Mitglieder arbeiten an der Verwirklichung des Projekts mit.

Auszug aus dem Bericht eines politischen Gefangenen, Stand 1985: Am Rande der Bezirkshauptstadt Cotbus liegt die „Strafvollzugseinrichtung“ StVe Cottbus. Der Komplex besteht aus zwei großen Zellenhäusern, zwei Produktionsstätten, dem Gebäude für den Neuzugang, einer Baracke zur Esseneinnahme, einem kleinen Krankenrevier und einer separaten Untersuchungshaftanstalt. Vor Ausbruch schützen Stacheldrahtzäune, Signaldrähte, Hundelaufanlagen, Wachtürme und eine ca. 5 m hohe Gefängnismauer.

Neuankömmlinge werden zuerst in die „Katakomben“ gebracht. Als Katakomben werden die Kellergewölbe eines Zellenhauses bezeichnet. Dort verbringt der neu Angekommene die ersten 24 Stunden in Cottbus. Für die Nacht stehen Bettgestelle, Matratzen und Decken zur Verfügung. Alles ist sehr schmutzig. Am nächsten Tag wird der Häftling „eingekleidet“ und in das Zugangsgebäude gebracht. Ein Obermeister des Wachpersonals (Spitzname Roter Terror) bereitet ihn dort auf die Haftanstalt vor, indem er versucht, ihn einzuschüchtern und zu verunsichern. Es ist die Regel, dass bei jeder Zwangsbelegung wenigstens ein Häftling geschlagen wird.

Die Häftlingskleidung besteht aus abgetragenen Armeeuniformen. Die Uniformen sind an den Ärmeln, auf dem Rücken und an den Hosenbeinen je mit einem langen, leuchtend gelben Streifen versehen.

Vom Zugang kommen die Häftlinge in der Regel nach 14 Tagen zu den Arbeitskommandos. Sie werden einem Erziehungsbereich (EB) zugeordnet. Ein EB ist ein abgeschlossener Flur mit 6 bis 8 Zellen. Für jeden EB ist ein Offizier als „Erzieher“ verantwortlich. Die Zellen werden fast ständig verschlossen gehalten.

Das Wachpersonal besteht aus Unteroffizieren, die mit Hunden, Gummiknüppeln und Knebelketten ausgerüstet sind. Ihre Verhaltensweisen sind sehr verschieden und meistens unberechenbar. (Beispiel: Ein Häftling weigerte sich, Kartoffeln zu schälen. Daraufhin wurde er von vier Mann des Wachpersonals abgeführt und zusammengeschlagen.) Einige versehen ihren Dienst in angetrunkenem Zustand. Bei Durchsuchungen der Zellen gehen sie ohne Rücksicht auf das Eigentum der Häftlinge vor. Bei Filzungen werden die Zellen regelrecht verwüstet.

Gearbeitet wird in drei Schichten in den Produktionsstätten von VEB Sprela und VEB Pentacon. Es handelt sich um sehr monotone Arbeiten an Bohr-, Stanz- und Fräsmaschinen und Drehbänken. Weiterhin mussten Gussteile von Hand mit Feilen und Schabern entgratet werden. Zum Teil fehlen Arbeitsschutzmittel und Vorrichtungen. Bei Norm-Untererfüllung drohen dem Häftling Bestrafungen. Dieser Leistungsdruck erhöht zusätzlich das Unfallrisiko. Fast jeder arbeitende Häftling ist Lärm und Staub auf extremste Art und Weise ausgesetzt. Beim VEB Pentacon werden Teile von Fotoapparaten hergestellt. So ist z.B. auch die „Praktika“, welche in der Bundesrepublik Deutschland verkauft wird, die Arbeit von politischen Häftlingen.

Durchschnittlich müssen sich elf Häftlinge eine Waschgelegenheit und 14 Häftlinge ein WC teilen. Die Waschgelegenheit besteht aus einer Spüle mit Kaltwasseranschluss. Nassrasur ist Vorschrift. Einmal wöchentlich kann geduscht werden. Die Duschen sind aber in einem sehr schlechten Zustand, fehlende Duschköpfe, teilweise verstopft usw. Meistens müssen sich mehrere Häftlinge einen Wasserstrahl teilen. Die Unterwäsche wird trotz Nummerierung in der Wäscherei vertauscht und nicht selten verschmutzt wieder ausgegeben.

Es musste niemand hungern, aber das Essen ist minderwertig und teilweise ekelerregend. Der Vitaminmangel hat zur Folge, dass jeder Häftling zumindest mit dem Verlust von Zähnen rechnen muss.

Nach einer Erkrankung können Wochen vergehen, ehe der Erkrankte dem Arzt vorgeführt wird. Die Behandlung ist dann auch noch häufig falsch oder wird ganz unterlassen. Bei Notfällen, die auf den Zellen eintraten, konnten die Häftlinge nur versuchen, sich durch Klopfen und Rufen bemerkbar zu machen. Nachts waren diese Versuche meistens ohne Erfolg.

Besuch eines Angehörigen ist alle zwei Monate in der Haftanstalt möglich. Die Gespräche werden streng überwacht. Gespräche über die Tat, den Rechtsanwalt und die Haft sind verboten. Bei einem Verstoß gegen diese Regeln wird der Besuch sofort abgebrochen. Radios sind streng verboten.

Das Zentralorgan der SED „Neues Deutschland“ und die „Junge Welt“ der FDJ werden kostenlos verteilt. Der Bezug (Kauf) einer Heimatzeitung ist möglich. Eine kleine Bücherei kann einmal wöchentlich benutzt werden. Das Erlernen von Fremdsprachen ist verboten. Der Besuch von Filmveranstaltungen ist alle zwei Monate und Fernsehen ist maximal zweimal die Woche möglich. Diese Veranstaltungen sind immer nur einem begrenzten Kreis möglich. Kleine ausgesuchte Gruppen dürfen einmal monatlich einen Plattenspieler benutzen. In unregelmäßigen Abständen ist ein Volleyballspiel möglich. Sonst ist jede sportliche Betätigung verboten.

Auf jeder Zelle ist eine Bibel. Nur wer sich auf dem Zugang als konfessionsgebunden gemeldet hatte, durfte einmal im Monat an einem Gottesdienst im Speiseraum teilnehmen. Der Erzieher kann Häftlinge aus disziplinarischen gründen vom Gottesdienst ausschließen.

Bestraft wird der Häftling bei Regelverstößen wie z.B.: keine Erfüllung der Arbeitsnorm, Arbeitsverweigerung, Weigerung am politischen Unterricht teilzunehmen, Kritik am Strafvollzug usw. Folgende Strafen sind üblich: Einkaufsreduzierung, Paketsperre, Fernsehsperre, Isolationshaft oder Arrest. Meistens werden mehrere Bestrafungen gleichzeitig gegen den Häftling ausgesprochen. (Nikolaus Fleck in der IGFM-Dokumentation: „Strafvollzug in der DDR. Hoheneck, Brandenburg, Cottbus“, 1985). Weitere Informationen unter https://www.menschenrechte.de

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