Organentnahme nach dem Tod? Die Definition des Todes überläßt der Gesetzgeber den Ärzten. Eine sachgerechte Aufklärung über die Hirntod-Diagnose fehlt.
Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag heute die Gesetze zur Neuregelung der Organspende beschlossen, wobei vor allem wichtige Weichenstellungen die postmortale Organspende fördern sollen. Die Christdemokraten für das Leben e.V. (CDL) kritisieren durch die Bundesvorsitzende Mechthild Löhr in ihrer Stellungnahme vehement Art und Umfang der sogenannten neuen „Entscheidungslösung“:
„Schon länger hat die Gesundheitspolitik es zu ihrem Ziel erklärt, die Zahl der Organspender in Deutschland deutlich zu erhöhen. Nicht einmal die zahlreichen aktuellen Ungereimtheiten und Skandale um die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die hierzulande das Monopol für Organverteilung und Entnahme ausübt, haben den Bundestag davon abgehalten, heute ohne Anhörung kritischer Positionen in zweiter und dritter Lesung Gesetze zur Neuregelung der Organspende durchzudrücken. Die zu beobachtende Skepsis der Bürger gegenüber postmortalen Organentnahmen ist aber nicht grundlos und sogar noch gestiegen.
Deshalb soll jetzt auf die Bürger staatlicherseits wachsender moralischer Druck ausgeübt werden, ohne sie über den international umstrittenen Hirntod als definitorischer Voraussetzung für eine Organentnahme aufzuklären. Im Gesetz ist denn auch stets von Organentnahme n a c h dem Tod die Rede, die Definition des Todes überläßt der Gesetzgeber den Ärzten. Diese ist und bleibt somit in den verschieden EU-Ländern unterschiedlich. Hirntote sind zu diesem Zeitpunkt allerdings eindeutig noch Lebende im Sterbeprozeß, die künstlich beatmet werden. Deshalb wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, daß man bei der Entnahme von Organen bereits tot sei.
Der Bundestag hat durch die nunmehr beschlossene generelle und regelmäßige bundesweite Erfassung der Organspendebereitschaft jedes einzelnen Bürger eine neue Grenze zur Vergesellschaftung überschritten. Er fordert jetzt die Krankenkassen auf, auf den elektronischen Gesundheitskarten die Organspenderfunktion festzuhalten. Auch das regelmäßige Anschreiben aller Bürger, um ihre Organspendebereitschaft zu erfassen und damit Auskunft über eine persönliche Frage auf Leben und Tod zu erhalten, offenbart eine unglaubliche Hybris des Staates. Zwar wird bei der vorgeschlagenen Lösung noch formal das Prinzip der Freiwilligkeit gewahrt, doch übt der Staat mittelbaren moralischen Zwang auf die Bürger aus. Das hat durchaus den Charakter einer ethischen Nötigung und mißachtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Besonders bei körperlich oder psychisch schwer erkrankten Menschen könnte diese Dauerbefragung zusätzlich äußert negative Konsequenzen haben.
Eine wirklich sachgerechte und angemessene Aufklärung über die Hirntod-Diagnose würde sicher weiterhin viele Menschen davon abhalten, sich als Organspender zur Verfügung zu stellen. Verstärkend kommen die jüngste Reihe der Skandale bei der Stiftung Organtransplantation (DSO) und die erheblichen wirtschaftlichen Interessen hinzu, die sich rund um den Organhandel national wie international drehen. Bei vielen Bürgern gibt es zu Recht ein tiefes Mißtrauen, wenn der Staat höchstpersönliche Daten abfragt und speichert.
Es wird sich jetzt wohl nur noch durch das Bundesverfassungsgericht klären lassen, ob der Staat überhaupt befugt ist, Daten dieser Art über jeden Bürger permanent zu erheben und durch Dritte verwalten zu lassen. Daß auch dieses wichtige Gesetz heute in 2. und 3. Lesung im Eiltempo und ohne vorherige Anhörung durch eine breite Allparteienkoalition verabschiedet worden ist, wirft zusätzlich ein bedenkliches Licht auf die aktuelle parlamentarische Diskussionskultur unseres Landes.
Die Christdemokraten für das Leben (CDL) sind eine selbständige Initiative in der CDU/CSU mit 5.000 Mitgliedern, darunter zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europaabgeordnete sowie Kommunalpolitiker.